Zunächst läuft alles prächtig. Tobi offenbart ein überraschend tiefes Stellungsverständnis. Trägt das langjährige FM-Training doch noch Früchte? Jedenfalls überspielt er seinen Gegner erst positionell und treibt dann den weißen König mitten aufs Feld. Die Spekulationen darüber, welches Mattbild zu bestaunen sein wird, beendet der Gegner durch zeitige Aufgabe. Bertl sitzt nebendran und denkt: „Nicht schlecht, Jungchen, aber von Dir lass ich mir die Show nicht stehlen…“. Mit 15.Se4! schickt er seine wilden Mustangs in die Manege. Gefühlte 23 Gabelmotive später haben sich die Springer ausgetobt und dabei drei Bauern eingeheimst. Ein echter Husarenritt, der Bertl im Anschluss das grinsende Bekenntnis entlockt, dass die Pferdchen halt doch irgendwie seine Lieblingssteine seien. Als ob wir das nicht vorher gewusst hätten… Es steht 2:0 – wird der Heimkampf gegen Kriegshaber zum Selbstläufer?
Dann aber ziehen dunkle Wolken auf. Am Spitzenbrett wird klar, dass Karsten in die gründliche Vorbereitung seines Gegners gelaufen ist. Ron unterläuft in bequemer Stellung mit 20…La6? eine schwerwiegende Ungenauigkeit. Und sowohl Mario als auch Christian können ihre anfänglichen Stellungsvorteile nicht festhalten. Prompt schlägt der erste Blitz ein: Bernd hat seinem Gegner eine Qualität abgeluchst und befindet sich scheinbar in der Verwertungsphase. Diese behandelt er dann aber zu nachlässig. Auf einmal zappelt sein König im Netz, das die schwarze Dame mit Hilfe des Läuferpaars und der Freibauern aufgespannt hat. Nur noch 2:1. Mario willigt nach langem Ringen ins unvermeidliche Remis ein. Auch ohne Engine ist ihm unmittelbar nach der Partie klar, dass sein Gegner mit 13.Se5?! Tc8! Ausgleich erreicht hat und danach im Gewinnsinne nichts mehr drin war. Karsten quält sich lange in einem undankbaren Endspiel. Mit zwei Minusbauern versprechen auch die ungleichfarbigen Läufer wenig Hoffnung auf Rettung. Zielstrebig gelingt seinem Gegner die Revanche für das letztjährige Duell, das nach einem ähnlichen Drehbuch mit vertauschten Rollen ablief. Der Wettkampf ist beim Stand von 2,5:2,5 wieder völlig offen.
Es kommt noch schlimmer. Ron kann sich in einem deprimierenden Leichtfigurenendspiel nicht mehr befreien, zu schwach sind seine Bauern und sein Läufer. Toms Partie landet bald in einem völlig symmetrischen Turmendspiel – ein wenig überraschend nach der scharfen Eröffnungsphase. 41.Kf3!? – statt des “normalen” 41.Ke3 – ist ein letzter Trick. Das scheinbar gewinnbringende 41…Kf5 42.Ke3 Kg4? würde für Schwarz nun sogar verlieren. Aber Toms Gegner lässt sich nicht mehr verwirren. Unversehens steht es nach einer 2:0-Führung 3:4 gegen uns. Nach diesen Wetterkapriolen kommt für die Gröbenzeller zum Schluss die Sonne nochmals durch. Christian müht sich in einem Doppelspringerendspiel mit 14 Bauern. Erst als sein Gegner zulässt, dass in der a-Linie ein Freibauer entsteht, werden die Gewinnhoffnungen reell. Etwas später kommt ein weiterer Freibauer in der h-Linie dazu. Und wieder einmal erweisen sich die Springer gegen die unscheinbaren Randbauern als hilflos.
Das 4:4 ist damit knapp gerettet, auch wenn man nach dem Gesamtverlauf wohl nicht von einem glücklichen Unentschieden für uns sprechen kann. Die Schachfreunde aus Kriegshaber, in den letzten Jahren oft deutlich unterlegen, haben diesmal wacker gekämpft und angesichts des DWZ-Nachteils an jedem einzelnen Brett das Unentschieden redlich verdient.
(cg, 12.11.2018)