2019 hat uns bislang drei Mannschaftssiege in Folge beschert. Da die in der Tabelle führenden Teams teilweise Federn lassen mussten, sind wir nochmals auf Tuchfühlung herangekommen. Vor dem Auswärtsspiel gegen Rottal sieht das Ligaorakel unsere Aufstiegschancen immerhin bei fast 15%. Unser Plan ist demzufolge ganz einfach: bis zum Saisonende kräftig punkten und gleichzeitig auf Ausrutscher von Haunstetten und Trostberg hoffen, die am heutigen Spieltag zudem gegeneinander antreten müssen.
Mit entsprechend risikofreudiger Einstellung („Alles oder nichts“) gehen wir in Pfarrkirchen an die Bretter. Auch die Gastgeber scheinen hochmotiviert, dennoch – oder gerade deshalb – ereignen sich ungewöhnlich viele Eröffnungsunfälle auf beiden Seiten. Bereits in der 2. Spielstunde scheint die Mehrzahl der Partien zumindest im höheren Sinne entschieden. Aber natürlich ist das im Landesligaschach nicht immer das Ende der Geschichte…
Die Partie am 2. Brett ist kurz, ihr Verlauf aber psychologisch faszinierend. Weiß leitet in eine bekannte Dauerschachvariante in einem klassischen Königsinder ein, nur um diese mit dem hyperaggressiven 12.f4? zu verschlimmbessern. Kurz danach gleicht seine Stellung einem Emmentaler Käse. Überrascht durch diese Entwicklung forciert Tom seinerseits den Damentausch, womit die Partie wieder ins Lot kommt und kurz darauf in einer Zugwiederholung endet.
In einer seiner Spezialvarianten möchte Franz eine Zugumstellung ausnutzen, wird aber stattdessen selbst von seinem gut vorbereiteten Gegner ausgetrickst. Nach 17 Zügen ist die schwarze Rochadestellung hoffnungslos geschwächt, auch wenn Franz die Aufgabe noch einige Zeit hinauszögern kann.
Bernd entkorkt ein zwar spektakuläres, aber recht dubioses Abspiel des sizilianischen Flügelgambits. Nach einigen präzisen Verteidigungszügen hat sein Gegner einen gesunden Mehrbauern ins Endspiel gerettet. Nur dank seiner Routine kann sich Bernd nach längerer Leidensphase in den Remishafen retten.
Ein weiteres Eröffnungsdrama spielt sich am 3. Brett ab, wo Christian das überambitionierte 9…Lb4? mit dem naheliegenden 10.Dxg7! widerlegt. Anschließend begnügt er sich mit Bauerngewinn und risikovermeidender Vorteilsverwaltung – und muss gerade deshalb erleben, wie sein Vorteil nach dem Damentausch immer mehr zusammenschmilzt. Gerade noch rechtzeitig findet er den richtigen Plan, bildet einen Freibauern in der h-Linie und schiebt ihn zum Partiegewinn.
Bertl ist ein bisschen neidisch auf die vielfältige Action an den anderen Brettern. Nach frühzeitigem Damentausch opfert er in einem ausgeglichenen Mittelspiel ansatzlos die Qualität. Verdutzt registrieren die Kontrahenten bald, dass auch dieser brachiale Gewaltakt die Stellung nicht wesentlich aus dem Gleichgewicht bringt, und vereinbaren resigniert die Punkteteilung.
Am Spitzenbrett deckt Karsten die Fragwürdigkeit der gegnerischen Eröffnungsvariante schonungslos auf. Nach Damentausch im 12. Zug sichern ihm das Läuferpaar und der Raumvorteil am Damenflügel klaren Vorteil. Weit vor der Zeitkontrolle wickelt Karsten in ein Springerendspiel mit Mehrbauer ab und führt es sicher zum Punktgewinn.
Damit steht es 3,5:2,5 zu unseren Gunsten, aber woher soll der zum Mannschaftssieg fehlende Punkt kommen? Die noch laufenden Partien sind diejenigen, in denen sich nicht schon in der Anfangsphase größere Dramen ereignet haben. Mario und Tobi sind als Nachziehende zwar etwas passiv, aber unbeschadet aus der Eröffnung gekommen.
An Tobis Brett haben die Kontrahenten kurz vor der Zeitkontrolle jeweils noch Dame, schwarzfeldrigen Läufer und fünf Bauern. Wegen der beidseitig offenen Königsstellung liegt ein Dauerschach in der Luft. Der Damentausch zwingt Tobi zur passiven Verteidigung, aber erst nach dem impulsiven 44…b5? ist die schwarze Stellung nicht mehr zu halten. Mario versäumt bei einer größeren Abtauschaktion den Zwischentausch eines Turmpaars und landet dadurch in einem Damenendspiel mit Minusbauer, das sein Gegner mit guter Technik und Ausdauer zum Sieg führt.
Am Ende gewinnen die Rottaler Schachfreunde nicht unverdient mit 4,5:3,5. Für uns ist damit die Aufstiegsgefahr endgültig gebannt und wir könnten die Saison unbeschwert austrudeln lassen, wenn … ja, wenn da nicht noch ein anderes Saisonziel in Reichweite wäre. Nach 8 Runden führt Bertl die Liga-Bestenliste mit stolzen 6,5 Punkten an. Gelingt es ihm, den Spitzenplatz in der Schlussrunde zu verteidigen, hätten wir das 3. Jahr in Folge den Ligakönig in unseren Reihen und damit sicherlich Anlass genug für eine „massvolle“ Saisonabschlussfeier…
(cg, 29.03.2019)