Hätten wir vor zwei Wochen den engen Kampf gegen Rottal gewonnen, so wären wir jetzt – ceteris paribus – Meister der Landesliga Süd. Und hätte unser heutiger Gegner Dillingen das Match für sich entschieden, so müssten sie nicht den Gang in die Regionalliga antreten. Hätte, hätte, Fahrradkette. Mit derlei müßigen Spekulationen halten wir uns gar nicht lange auf, sondern gratulieren Trostberg zur Meisterschaft und wünschen den sympathischen Donaustädtern den baldigen Wiederaufstieg.
Vor dem Wettkampf glauben die Gäste aus Dillingen offensichtlich nicht mehr an ihre Chance, jedenfalls reisen sie nur zu siebt an und lassen das 1. Brett frei. Dadurch hat Karsten viel Zeit, den Wettkampfverlauf im Detail zu verfolgen, in dem nach der Eröffnungsphase die Zeichen zunächst auf einen klaren Gröbenzeller Sieg stehen.
Bernd spielt eine schneidige Angriffspartie und lässt seinem Gegner keine Chance. Systematisch und schnörkellos werden am Königsflügel zunächst wichtige Linien und Diagonalen geöffnet, die Verteidiger abgetauscht und schließlich der hilflose schwarze Monarch in der Ecke erlegt. Ein klassischer Hoy!
Tobis Gegner lässt sich ausgangs der Eröffnung kompensationslos einen Isolani anhängen. Bei beidseitigen Schwerfiguren und Läuferpaaren hat Tobi deshalb leichte Stellungsvorteile. Sein Versuch, auf taktischem Weg einen Bauern zu gewinnen, erweist sich jedoch als Rohrkrepierer. Tobi gibt sofort auf, als er seinen Irrtum erkennt, vielleicht hätte das Läuferpaar im Endspiel mit Minusqualität aber doch noch Remischancen geboten.
An Brett 5 deckt Ron seinerseits zielsicher das Loch in der Kombination seines Gegenüber auf und gewinnt die Dame gegen zwei Leichtfiguren und Bauer. Aus Respekt vor dem Läuferpaar gibt er unmittelbar noch eine Qualität zurück. Danach ist die Stellung jedoch nicht mehr so einfach zu gewinnen, nach einigen vergeblichen Anläufen willigt Ron in die Punkteteilung ein.
Nach unspektakulärem Eröffnungsverlauf können die Kontrahenten an Brett 4 jeweils mächtige Zentralspringer etablieren. Als der Abtausch dieser Kraken wechselseitig erzwungen wird, verbleiben dem Nachziehenden klare Positionsvorteile, insbesondere die halboffene b-Linie und ein gedeckter Freibauer. Mario hält die Partie bis zur Zeitkontrolle am Laufen, muss aber bald danach die Segel streichen.
Durch einen Zugumstellungstrick lockt Tom seinen Gegner in ein scharfes Winawer-Abspiel, in dem der Nachziehende frühzeitig ein Tempo für das unkritische …b6 investiert hat. Als Konsequenz kann der schwarze König nur auf Kosten des f-Bauern zum Damenflügel evakuiert werden. Das Endspiel ist wegen des Freibauern in der g-Linie vorteilhaft für Weiß und wird von Tom souverän zum Sieg geführt.
Christian kommt gut aus der Eröffnung, verbraucht aber viel Zeit, als sein Gegner aggressive Absichten am Königsflügel erkennen lässt. Der Weißspieler opfert eine Qualität und setzt dabei auf die Kraft des Läuferpaars und die momentan unkoordinierte schwarze Stellung. Überhastet forciert Christian in der Zeitnotphase den Abtausch der Schwerfiguren und muss anschließend erleben, wie die starken Läufer seine Bauern einsammeln und die Aufgabe erzwingen.
Nach den zahlreich vergebenen Chancen ist das Match trotz der Punktvorgabe nochmal eng geworden. Gut, dass Bertl zu diesem Zeitpunkt seine Partie endgültig in den Griff bekommt. Nach 41.Lc6! fallen die schwarzen Bauern am Königsflügel wie die Blätter im Herbst, am Ende wird es sogar Matt. Die sieben tapferen Schwaben aus Dillingen haben aus ihren Stellungen viel herausgeholt, verlieren das Match am Ende aber dennoch 3,5:4,5.
12:6 Mannschaftspunkte bedeuten für uns den dritten Rang in der Schlusstabelle. Damit können wir nicht zufrieden sein, war doch unser Team bei Saisonbeginn Meisterfavorit des Ligaorakels. Insbesondere in der ersten Saisonhälfte agierten wir wenig überzeugend und fingen uns zudem eine Klatsche gegen Trostberg ein. Nach dem Jahreswechsel waren unsere Ergebnisse stabiler, insgesamt wurden aber nur wenige Mannschaftssiege sicher und überzeugend errungen.
Auch die Einzelergebnisse im Team waren überwiegend durchwachsen. Gottseidank gab es aber auch Lichtblicke. Über die Saison hinweg richtig gute Leistungen abgeliefert haben Karsten (4,5 aus 8 am stark besetzen 1. Brett mit einer Performance deutlich über 2300) und insbesondere Bertl, der mit 7,5 aus 9 und einer Performance von 2318 unangefochtener Ligakönig wurde – herzlichen Glückwunsch!
Bei der Nachlese im Wirtshaus Gröbenzell halten wir uns nicht lange mit der Rückschau auf. Stattdessen diskutieren wir vielversprechende Aufstellungsszenarien für die Zukunft – nach der Saison ist schließlich immer auch vor der Saison. Über die angeregten Gespräche und eingestreuten Anekdoten vergehen viele vergnügliche Stunden, der Wirt kann sich über mangelnden Getränkeumsatz nicht beklagen. Stimmung und Zusammenhalt im Team sind also weiterhin prima, und das ist ja vielleicht das Allerwichtigste im Mannschaftsschach …
(cg, 08.04.2019)