In der ersten Runde der neuen Oberliga-Saison 23/24 empfingen wir die Schachfreunde vom SK Kriegshaber aus Augsburg. Da es in dieser Saison unter dem Strich voraussichtlich 4 Absteiger geben wird, sollten wir gegen nominell schwächere Mannschaften punkten, um die Liga zu halten – so der Plan. Die Augsburger mussten auf ihr Spitzenbrett sowie einen weiteren Spieler verzichten, und so machten wir uns berechtigte Hoffnungen auf einen Mannschaftssieg.
Den Anfang machte Bernd an Brett 2, der in ausgeglichener Stellung die Qualität für Angriffschancen opferte. Allerdings war die Sache nicht so klar, und sein Gegner Kudrytsky hätte nach Bernds Fehlgriff im 26. Zug bei korrektem Spiel deutlichen Vorteil erzielen können. Stattdessen revanchierte er sich schon einen Zug später bei schwindender Bedenkzeit mit einem Fehler, den Bernd mit einem schönen Königsangriff mit klassischen Fesselungsmotiven gekonnt zum Sieg ausnutzte.
Christian spielte an Brett 3 mit Schwarz gegen Routinier Thomas Reis eine alte Variante der damenindischen Verteidigung. Der weiße Vorteil hielt sich bis zum 24. Zug in Grenzen, dann griff Christian allerdings mit 24…h6 fehl und verlor direkt eine Figur. Den anschließenden Verzweiflungsangriff konnte Weiß sauber parieren und die Partie gewinnen.
Waldemar an Brett 6 wollte in einer Englischen Eröffnung schon früh die etwas wackelige Aufstellung der schwarzen Dame auf d5 vis-a-vis zu seinem Läufer auf g2 ausnutzen und zog dazu den Bauern im 12. Zug nach d4. Danach verschwand dieser Bauer allerdings für immer vom Brett, und die anschließende Abwicklung mit Damentausch kam eher Schwarz zugute. Weitere Materialeinbußen folgten, und Waldemar musste die hoffnungslose Partie nach einem letzten Schwindelversuch im 46. Zug aufgeben.
Tom spielte an Brett 5 mit Schwarz gegen Bintakies eine mittlerweile 40 Jahre alte Variante im Königsinder mit positionellem Qualitätsopfer auf e3. Das Ziel der schwarzen Strategie ist es dabei, einen “ewigen Springer” auf e5 zu errichten und Figurenspiel auf den schwarzen Feldern zu erhalten. Weiß dagegen versucht mit allen Mitteln, diese Festung zu knacken, wenn nötig mit Figurenopfer. In der Partie hätte Bintakies mit 18.Df2! (statt Kh1) genau dies erreichen und deutlichen Vorteil erzielen können. Die Partiefortsetzung hätte zumindest zum Ausgleich genügt, aber Weiß griff mit 20.Tff7? fehl. Danach konnte Tom sehenswert unter Figurenopfer zunächst die Dame entfesseln und dann gegen ihr weißes Pendant abtauschen. Das entstehende Endspiel mit besagtem “ewigem Springer” auf e5 gegen schwachen Läufer auf d3 war dann für Tom klar gewonnen.
Beim Spielstand von 2:2 ging es dann Schlag auf Schlag: Ron überspielte mit Weiß seinen Gegner Kamenskyi an Brett 4 sehenswert, als dieser mit 16…Sb6? direkt Material einbüßte. Einige Züge später wiederholte sich das Spiel, und Schwarz ließ mit seinem 24. Zug zu seinem Unglück eine tödliche Fesselung zu. Mit 3 Leichtfiguren für einen Turm konnte sich Ron den Gewinnweg bereits aussuchen und holte im 58. Zug den ganzen Punkt.
Bertl hatte es an Brett 8 mit einem nominell deutlich schwächeren Gegner zu tun, der die absurde Idee hatte, während der Partie Sudoku-Rätsel zu lösen. Bertl ließ sich hiervon in keinster Weise provozieren und gab die Antwort auf dem Brett. Auf c4, d3 und e4 konnte er hervorragende Stützpunkte für seine Figuren errichten. Das entstehende Endspiel Turm + guter Blockadespringer gegen Turm + impotenter Läufer konnte er dann routiniert und lehrbuchartig zum Sieg führen.
Damit war das 4:4 bereits in trockenen Tüchern, aber Uli und Karsten spielten ja noch! Uli präsentierte mit Schwarz an Brett 7 eine mitterweile auch schon in die Jahre gekommene Katalanisch-Variante mit 7…Sc6, die schon 1978 bei Kortschnoi-Karpov in Baguio City aufs Brett kam. Allerdings hat sich die Variante bis heute stabil gehalten und wird auch von der Weltspitze fleißig gespielt. Der dabei entstehende schwarze Minusbauer gehört zum Programm, das bessere schwarze Figurenspiel kompensiert dafür genügend. Uli’s Partie verlief allerdings etwas unruhig, er fand nicht immer den besten Plan. Einen möglichen Qualitätsgewinn im 25. Zug (Lc5 statt Sc5) übersah sein Gegner großzügig, und Uli konnte trotz Minusbauer mit aktiver Spielweise im Schwerfiguren-Endspiel überzeugend Remis halten.
Der Mannschaftssieg war damit erreicht. Karsten konnte mit einem sehr glücklichen, aber verdient erzielten Remis nach einer insgesamt haarsträubenden Partie sogar noch auf 5:3 erhöhen.
Die Partien wurden anschließend im Biergarten bei herrlichem Herbstwetter diskutiert und mit Engine-Hilfe auch seziert. Als Fazit hatte die Mannschaft aus Kriegshaber gute Chancen auf ein 4:4 (oder sogar besser) gehabt, konnte diese aber nicht konsequent nutzen. Dieser etwas holprige Saison-Einstand hilft den Gröbenzellern natürlich ungemein beim Erreichen des Zieles “Klassenerhalt”.