Kurze Rückblende zur 7. Runde, in der wir beim schon feststehenden Aufsteiger München Südost antreten. Diese Mannschaft weist eine Mischung aus erfahrenen Titelträgern und ehrgeizigen Jungspielern auf und hat in dieser Saison bislang alle Wettkämpfe für sich entschieden. Unsere Hoffnung auf ein vorzeigbares Resultat wird nicht größer, als etwas überraschend und mit geziemender Verspätung auch noch der 3. Großmeister einmarschiert und uns gegenüber Platz nimmt. Tatsächlich können am Ende nur Karsten (gegen GM Marcelin!) und Christian mit knapper Not jeweils ein Remis rauskratzen, alle anderen Partien gehen bachab. Andere Teams würden nach so einer Niederlage von „Klatsche“ sprechen. Wir hingegen nehmen im Wirtshaus einen zur Brust, entscheiden uns für „kleiner Ausrutscher“ und gratulieren München Südost zum souveränen Sieg und zum Aufstieg in die 2. Bundesliga.
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Zwei Wochen später, beim Heimspiel gegen Weilheim, rechnen wir uns mehr Chancen aus. Nominell treten die Teams in vergleichbarer Stärke an mit Vorteilen für die Gäste eher an den vorderen Brettern.
Bernd vereinbart am 2. Brett so schnell die Punkteteilung, dass mancher Beobachter zunächst glaubt, es müsse der Händedruck vor Partiebeginn sein. Sein Komplize ist ein alter Weggefährte, mit dem Bernd schon in der U18 die Klingen gekreuzt hat. Dank ihrer langjährigen Wettkampferfahrung sehen die beiden korrekt voraus, dass an anderen Brettern wenig später großes Kino geboten wird, das ihre volle Aufmerksamkeit erfordert.
In der Tat kommt sich Waldemar bald vor wie im falschen Film, reitet er doch selbst gern scharfe Attacken. Sein Gegner packt gegen seinen Sizilianer den tückischen Grand-Prix-Angriff aus. Einmal mehr beweist der seine Kreuzgefährlichkeit, obwohl – oder gerade weil – beide Seiten früh improvisieren. Der weiße Bauernvorstoß 10.f5!? ist zwar thematisch, in der konkreten Stellung aber harmlos. Schon zwei Züge später stößt der Anziehende den f-Bauern nochmals vor, diesmal nicht nur ästhetisch gefällig, sondern auch spielentscheidend. Waldemar setzt alle Hebel in Bewegung, kann aber seinen König nicht mehr aus dem Käfig befreien.
Tom legt als Nachziehender eine Glanzpartie hin. Nach ruhiger Eröffnung beschäftigt er den Gegner zunehmend am Damenflügel und investiert dabei eine Qualität. Unmittelbar darauf folgt der spektakuläre Einschlag am Königsflügel 21…Sxf2!!. Tom hat richtig vorausgesehen, dass er danach in aller Ruhe seinen Schlussangriff vorbereiten kann. Sein Gegners muss – trotz Mehrturm – hilflos zusehen, so unglücklich ist seine Figurenaufstellung. Schach vom Feinsten!
Für Ernüchterung sorgen dann Philipp an Brett 8 und Christian an Brett 4, beide fallen dem berüchtigten „Syndrom 27“ zum Opfer. Gegen die leicht dubiosen Aufbauten ihrer Gegner spielen sie mit den weißen Steinen zunächst wenig ehrgeizig. Als ihnen das irgendwann auffällt, legen sie zur Kompensation im Mittelspiel übertriebene Ambitionen an den Tag und werfen synchron im 27. Zug ihre Partien ohne Not weg.
Auf seine unnachahmliche Art sorgt Bertl für den Anschlusstreffer. Sein Bauernopfer 6…f6!? erscheint nur dem unbedarften Beobachter etwas unkonventionell. Tatsächlich wurde dieselbe Stellung laut aktueller Megabase schon fünfmal erreicht. Es folgt ein komplexes Mittelspiel mit ungewöhnlicher Struktur, Bertl ist ganz in seinem Element. Daneben findet er noch Zeit, Toms brillantes Springeropfer zu beobachten. Zurück am Brett brezelt er seinen Gaul einfach ebenfalls auf f2 rein, und als sein Gegner das Opfer im Affekt annimmt, ist es auch schon vorbei. Zauberschach!
Ron spielt an Brett 6 eine subtile Manöverpartie. Schließlich erreicht er ein Leichtfigurenendspiel mit Läuferpaar gegen Läufer und Springer, in der vorliegenden Bauernstruktur bietet diese Konstellation allerdings nicht wirklich Gewinnchancen. Bis zum Schluss gibt sich keiner der Kontrahenten eine Blöße, die Punkteteilung ist korrekt.
Beim Stand von 3:4 ist Karsten wieder einmal „the last man standing“. Er startet prächtig und nimmt im frühen Mittelspiel seinem Gegner, IM Lehner, kompensationslos den wichtigen Zentrumsbauern ab. Nachdem Karsten einen weiteren Bauern vernascht, erhält der Anziehende überraschend starkes Gegenspiel am Damenflügel. Karstens Figuren werden zurückgedrängt, im Zulauf auf die Zeitkontrolle kann er die Stellung nicht verteidigen und fällt schließlich einem Springer-Zertrümmerungsopfer am Königsflügel zum Opfer – das dritte in diesem Wettkampf!
Weilheim gewinnt das Match 5:3 und sichert sich damit ebenfalls den Klassenerhalt in der Oberliga. Wir hingegen haben in den letzten beiden Runden eine ganze Eierschachtel vollgemacht (10 Verlustpartien!) – Ostern kann kommen!
(cg, 04.04.2023)