Schon bald wird klar: dieser Auswärtskampf gegen den SK Kriegshaber ist nichts für Zartbesaitete oder Liebhaber subtilen Schachs. Eher was für Hardcore-Fans. Kurzzügige Katastrophen, fatale Selbstfesselungen, vergiftete Bauern, ausgelassene Matts und unglaubliche Wiederauferstehungen – die Kiebitze wuseln bald von Brett zu Brett um ja keine sensationelle Wendung zu verpassen.
An Brett 6 stehen die Zeichen zunächst auf frühen Friedensschluss. Christian bekommt mit den schwarzen Steinen bereits nach 8 Zügen eine Zugwiederholung angeboten. Zu diesem Zeitpunkt sind an den übrigen Brettern natürlich noch keine Tendenzen zu erkennen, weshalb er sich zum Weiterspielen entschließt. Die Partie bleibt in ruhigem Fahrwasser, bis sein Gegenspieler aus heiterem Himmel seinen Läufer in eine tödliche Fesselung stellt und aufgibt. Schon in der vorangegangenen Runde errang Christian einen ähnlich schnellen und glücklichen Erfolg – diesen Kugelschreiber gibt er nicht mehr her!
Uli möchte noch vor der Rochade strategische Weichen stellen. Als er im 15. Zug seinen Damenspringer aufs Ausgangsfeld zurückbeordert, wird klar, dass er es damit zu weit getrieben hat. Fünf Züge später kommt Uli doch noch zur Rochade, aber da ist die Stellung bereits aufgabereif – 1:1.
Am Spitzenbrett belagert Karsten in einem Abtauschslawen den schwarzen Isolani auf d5. Mittels aggressiver Bauernvorstöße am Königsflügel könnte er diesen im Mittelspiel wohl sogar erobern. Vermutlich hat Karsten aber an den übrigen Brettern schon zuviel taktisches Chaos für seinen Geschmack gesehen, jedenfalls führt er die Partie stattdessen solide in den Remishafen.
Tom diskutiert mit seinem Gegenüber eine scharfe Winawer-Variante. Nachdem der weiße Angriff nicht durchdringt, übernimmt der Nachziehende die Initiative. Beide Spieler finden in der komplizierten Stellung immer neue taktische Ressourcen, verbrauchen dabei aber viel Bedenkzeit. Nachdem Toms Gegner kurz zuvor einen äußerst nahrhaften Bauern verschmäht hat (26…Lxg2!), verspeist er mit 31…Txf4? einen anderen – nur um festzustellen, dass dieser vergiftet ist und auch er sich in eine tödliche Fesselung begeben hat. Eine dramatische Partie mit dem glücklichen Ende für uns.
Ebenfalls vogelwild geht es am Nachbarbrett zu. Nach einem spekulativen Bauernopfer löst sich Bernds Damenflügel in Windeseile komplett auf. Dafür stellt er seinem Gegner knifflige Fragen auf der anderen Bretthälfte, deren Beantwortung viel Bedenkzeit erfordert. In der Zeitnotphase geschehen dann wundersame Dinge (vielleicht ist auch die veröffentlichte Notation nicht ganz korrekt?), bevor sich das Drama in ein wohlgefälliges Dauerschach auflöst und die Kontrahenten sich lächelnd die Hände reichen. Zwischenstand 3:2.
Walid schnappt sich als Nachziehender im 3. Zug einen Bauern und gibt ihn nicht mehr her. Geduldig konsolidiert er seine Stellung und stellt die Figuren aktiver, bis sich die Kompensation verflüchtigt hat. Die unglückliche Figurenkonstellation seines Gegners nutzt er zu einem weiteren Bauerngewinn und führt die Mehrbauern dann sicher zum Punktgewinn und uns zum Matchgewinn – stark und stringent gespielt!
Die vielleicht beste Partie des Wettkampfs liefert Bertl ab. Mit beeindruckendem Stellungsverständnis überspielt er seinen starken Gegner brettumfassend, ohne dass diesem augenfällige Fehler unterlaufen. Lediglich das ausgelassene zweizügige Matt am Ende sorgt im nachhinein für etwas Neckerei, ansonsten hat Bertl sich die Anerkennung seiner Teamkameraden diesmal redlich verdient.
Rons Partie läuft als Spiel auf ein Tor ab. Sein Gegner möchte schnellstmöglich alle Figuren tauschen und gerät folgerichtig in ein schwieriges Endspiel. Im 17. Zug gewinnt Ron einen Bauern und macht sich bei schon deutlich reduziertem Material an die Verwertung. Geduldig verstärkt er seine Stellung, bis sein Mehrbauer freie Bahn und der gegnerische Springer kein Feld mehr hat. Die Aufgabe seines Gegners scheint (über)fällig zu sein. Aber auch hier erleben die Kiebitze noch eine unerwartete Wendung – Ron tappt zum Schluss tatsächlich noch in die einzige Springergabel weit und breit. Schade um den verschenkten halben Punkt, gottseidank ist er für unseren Mannschaftssieg unerheblich.
Letztlich haben wir die geringere Fehlerquote – und vielleicht auch etwas mehr Glück – auf unserer Seite und bezwingen Kriegshaber mit 5,5:2,5 recht deutlich. Mit diesem Erfolgserlebnis und genügend Diskussionsstoff aus den abwechslungsreichen Partien begeben wir uns ins Brauhaus Riegele und lassen es uns gutgehen.
(cg, 13.11.2019)